Glück & Gesundheit kommen auch ohne Noten
Was nun folgt, soll kein Fingerzeig sein, sondern lediglich als Hinweis dienen. Etwas, das dazu anregt, die Perspektive auf den Unterricht zu ändern. Um Menschen für Bewegung zu motivieren, gibt es funktionalere Wege, als die bisherigen. Ich habe mir die Rahmenpläne für Sport des Landes MV angeschaut und dort taucht nirgends der Begriff Glück auf. Es ist hier und da mal die Rede von Gesundheit im Allgemeinen, von zu erreichenden Kompetenzen, aber nie vom Glück eines Menschen. Sollte das nicht unser höchstes Ziel sein?
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Roboter sind messbar, menschliche Originalität nicht
Birgit Hesse, ehemalige Bildungsministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur M-V, blieb bei einem Benotungsmaßstab für die Schülerschaft Ihrer Vorgänger, welcher in einem Kreativfach wie Sport, die Kinder lediglich objektiviert. Was gemessen wird, sind zum größten Teil quantitative Werte: Wie viele Liegestütze, wie schnell gelaufen, wie oft Seilgesprungen. Die Komplexität eines lebendigen Kindes wird damit zu einer simplen Zahl heruntergebrochen. Das allein zu messen, entspricht nicht der Wahrheitsfindung von Bewegung im Ganzen. Es bedeutet, die Welt durch ein kleines Schlüsselloch wahrzunehmen. Darum geht es bei körperlicher sowie mentaler Bewegung allerdings nicht. Es ist, als würden wir nur diese Bewegungen hier messen: Hand hoch runter. Es sind Bewegungen, die Menschen zu Robotern machen. Ein Liegestützt reicht aus, um sich nach dem Hinfallen wieder aufzurappeln. Wozu also überhaupt mehr als 10 Wiederholungen messen? Aber was ist mit dieser Bewegung: Hand in Wellenform bewegen. Dies ist eine organische Bewegung, etwas, das sich nur schwer messen lässt, denn es spiegelt die Originalität sowie die Authentizität des Lehrlings wider.
Bewusstsein für Würde
Auch der weltweit angesehene Trainer sowie College Professor Dan Millman warnt in seinem Buch „Body, Mind, Mastery“ vor einer einheitlichen Benotung der Kinder, die aufgrund ihrer verschiedenen genetischen Voraussetzungen unter kein simples Bewertungsmuster fallen sollten.[4] Eine Benotung stellt jeden Menschen bloß. Selbst, wenn ich allein in einem Raum einen Zettel mit der Note 2 darauf erhalte, wird mir ja nur aufgeführt, was ich auch so schon längst wusste. Allerdings wird mir etwas viel Schwerwiegenderes suggeriert: Nämlich, dass ich nicht genug wert bin für eine Eins. Dass mein Bestes nicht gut genug ist. Mir wird nicht gesagt: „Hey, das kannst du besser, hier hast du eine dritte, vierte, fünfte Chance und anhand der Verbesserung bewerte ich dich am Ende des Jahres, sondern hier ist deine letzte Chance, um mir zu beweisen, was du drauf hast.“ Für die menschliche Psyche ist es, als würdest du eine imaginäre Waffe auf jemanden feuern. Viele Sportlehrer geben zwar mehrerer Chancen, aber ihnen sind durch die Rahmenpläne Grenzen auferlegt. Was bewertet wird, ist das Resultat und leider nicht die Entwicklung des Kindes. Bedenken wir, dass Sport der spielerischen Erfahrung dienen sollte, dann ist dieser Bewertungsmaßstab vermessen. Diese objektive Wertschätzung schränkt unser Bewusstsein für ein würdevolles Leben ein. Der populäre Psychologe Gerald Hüther erklärt in seinem Werk „Würde“, dass vor allem komplexe, sich ständig ändernde Bewegungsmuster für unser Überleben nötig sind und dass jeder Mensch ein Bewusstsein für Würde erlangen muss, um ein Leben in Selbstakzeptanz und Freiheit zu führen.[5] Wie wäre es, wenn sich Schüler in Absprache mit ihrem Lehrer selbst bewerten? So könnte der eigene Anspruch die intrinsische Motivation des Schülers steigern.
Ungehorsam ist menschlich
Aber was tun Noten mit uns? Sie zwingen zum Gehorsam. Ja Schüler sind manchmal laut, frech und faul. Aus meinen Weiterbildungen mit Sportlehrern könnte ich genau das gleiche Bild widergeben. Intelligente Erwachsene reden tatsächlich dazwischen, befolgen nicht immer die vorgeschlagenen Vorübungen und stoßen sich daraufhin, weil sie lieber selbst erfahren und hinterfragen möchten. Genau dieses Verhalten legen Schüler an den Tag. Ja sicherlich sind die Klassen zu groß, aber auf jeden Fall sollte Sportunterricht anders konzipiert werden. Ich erkenne in diesem aufmüpfigen Verhalten die Vorteile der menschlichen Natur, Gebrauch vom freien Willen und Verstand zu machen. Jemand, der nicht mehr hinterfragt und emotionslos Folge leistet, sollte uns am meisten ängstigen. Vor allem in seinem zukünftigen Arbeitsbereich. Der Psychoanalytiker Arno Gruen schrieb in seinem Buch „Wider den Gehorsam“, dass sich eigentlich niemand für gehorsam hält. Allerdings erkennen wir dabei nicht „,dass wir unsere Unterdrücker idealisieren und ihnen dadurch Macht über uns verleihen.“ Er schlussfolgert, dass wir nur besser miteinander leben können, wenn wir gegen die Kultur des verschwiegenen Gehorsams revolutionieren.[6]
Aus den genannten Gründen plädiere ich für die Abschaffung von Noten im Sportunterricht im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern.